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Insiderwissen und Ausschreibungstext

DIN versus ETA, BAUHERREN SIND VERUNSICHERT

Gegenwärtig gelten in Deutschland zwei Normen, nämlich die nationale DIN 4102 (Ü-Zeichen) und die europäische ETA 018 (CE-Kennzeichen). Die jeweils zugehörigen Produkte sind leicht an der Kennung des erreichbaren Feuerwiderstands zu unterscheiden, nämlich F (F30, F60, F90) für DIN-geprüfte bzw. R (fire resistance R15, R30, R45 ...) für ETA-geprüfte Produkte.

Das DIBt. veröffentlicht die Liste seiner DIN-Zulassungen unter https://www.dibt.de/fileadmin/verzeichnisse/NAT_n/vSVA_19.htm
Dort findet man auch die Z-19.11-2095 von “Stahlbrandschutz SBS 30”

Das ETA-Zulassungsverzeichnis des DIBt. findet man unter https://www.dibt.de/fileadmin/verzeichnisse/ETA_n/vSVA_9011.htm

Dass dieses eher überschaubar ist, liegt daran, dass in Deutschland kaum ETA-Prüfungen stattfinden. Darauf spezialisiert ist Exova Warringtonfire in Warrington (UK). Diese Prüfstelle ist vergleichbar den deutschen Materialprüfanstalten (MPA).

Die eigentliche Europäisch Technische Bewertung (ETA) kommt dann von Warrington Certification Ltd., der zugehörigen Zertifizierungsstelle. Diese ist mit unserem DIBt. vergleichbar. Beide sind Mitglied der EOTA.

Warrington Certification veröffentlicht seine erteilten Bewertungen unter https://www.warringtoncertification.com/certifire/steelwork-protection/intumescent-coatings.html Dort findet man auch Produkte deutscher Wettbewerber. (Bedauerlicherweise wird neuerdings diese Site auf Exova Warringtonfire verlinkt, sodass die Liste nicht mehr einsehbar ist.)

Im Zuge der europäischen Harmonisierung war davon auszugehen, dass künftig nur noch nach ETA geprüft wird.
Wettbewerber haben inzwischen auch die Zulassungen ihrer DIN-Produkte nicht verlängert: https://www.rudolf-hensel.de/neue-hensotherm-produktausrichtung/ und prüfen nur noch nach ETA.
Wegen der 10-Jahres-Problematik wird dies inzwischen aber als nicht unkritisch erkannt.

ALTERUNGSPRÜFUNG NACH DIN 4102 UND ETA 018

“Zulassungsgrundsätze für reaktive Brandschutzsysteme auf Stahlbauteilen” heißen die Bestimmungen zur Prüfung nach DIN 4102. Sie sind kaum vergleichbar mit dem europäischen “Prüfverfahren zur Bestimmung des Feuerwiderstands” nach EN 13381-8.

Der wesentliche Unterschied betrifft die Alterungsbeständigkeit und besteht darin, dass die DIN-Prüfung neben der Kurzzeitbewitterung im Klimaschrank noch eingelagerte Stahlplatten kennt, die nach 2-, 5- und 10 Jahren einer erneuten Brandprüfung unterzogen werden. Insofern enthalten die Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen auch keinen expliziten Hinweis auf eine eingeschränkte Nutzungsdauer der Brandschutzbeschichtung.

Anders bei der ETA-Prüfung: Diese kennt keine Rückstellmuster und bildet das Alterungsverhalten ausschließlich über die Kurzzeitbewitterung im Klimaschrank ab. Entsprechend enthalten die Europäisch Technischen Bewertungen den Hinweis auf eine angenommene Nutzungsdauer von 10 Jahren.

ANGENOMMENE NUTZUNGSDAUER VON 10 JAHREN BEI ETA 018

In den ETA-Dokumenten wird zur Nutzungsdauer bestimmt, Zitat:

1.3 Nutzungsdauer
“Die Bestimmungen in dieser ETA beruhen auf einer angenommenen Nutzungsdauer der Beschichtung von 10 Jahren unter der Voraussetzung, dass die Beschichtung in angebrachter Art und Weise verwendet und unterhalten wird.
Die Angaben über die vorgesehene Nutzungsdauer können nicht als Herstellergarantie ausgelegt werden, sondern sind lediglich als Hilfsmittel zur Auswahl der richtigen Produkte angesichts der erwarteten, wirtschaftlich angemessenen Nutzungsdauer des Bauwerks zu betrachten.”

Dieser Text befindet sich in Übereinstimmung mit der ETA 018. Dort wird zur Nutzungsdauer formuliert, Zitat ETA 018, Teil 2:
“Reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen; hier Pkt. 2.3 Annahmen / Pkt. 2.2.2. Nutzungskategorien

„Die Vorschriften-, Prüfungs- und Beurteilungsverfahren … wurden auf der Grundlage einer angenommenen Nutzungsdauer … von 10 Jahren verfasst. Diese Vorschriften basieren auf dem gegenwärtigen Stand der Technik sowie dem verfügbaren Fachwissen und der vorhandenen Erfahrung.“
„Eine geschätzte Nutzungsdauer von 25 Jahren kann nur angenommen werden, wenn der Antragsteller der Zulassungsstelle … Nachweise vorlegen kann, die die Verwendung … für einen Zeitraum von 25 Jahren … darlegen.” “Die Zulassungsstelle muss Nachweise für die Beurteilung erhalten und die Details in der ETA darlegen.”

Fehlen diese Details, ist weiterhin von 10 Jahren Nutzungsdauer auszugehen.

NUTZUNGSDAUER VON 10 JAHREN ALS OFFENER DISPUT AUSGETRAGEN

Das 10-Jahres-Problem bei Europäisch Technischen Bewertungen wird inzwischen als öffentlicher Disput ausgetragen: https://www.rudolf-hensel.de/lebensdauer/
Beteiligt sind die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V. und das Deutschen Instituts für Bautechnik:
- TM 10/2017 VPI Brandschutz: Reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen, Überprüfung / Nutzungsdauer
- Schreiben des DIBt 02/2018: Dauerhaftigkeit von reaktiven Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen
- TM 09b / 002 vom 22.10.2018 VPI Brandschutz: Reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen, Überprüfung / Nutzungsdauer
Für die brandschützende Funktion einer reaktiven Beschichtung ein Garantieversprechen von 30 Jahren abzugeben, ist gewagt: Das Aufschäumverhalten eines Dämmschichtbildners ist und bleibt eine verdeckte Eigenschaft.

AUSSCHREIBUNGSTEXT

Planer und Architekten gehen wegen der 10-Jahres-Problematik zunehmend auf Distanz zur ETA 018. Dies ist an den Ausschreibungstexten erkennbar:

“Reaktives Brandschutzsystem an Stützen, Trägern und Riegeln aus Baustahl S 235 oder S 355 mit Allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung nach DIN 4102 in der Feuerwiderstandklasse F30 (Bemessungstemperatur 500 °C) bei Innenanwendung;
emissionsfrei von VOC ohne Wartezeit zwischen Applikation und Gebäudenutzung einschließlich systemgebundener Grundbeschichtung.”